Logbuch - Sommertörn 2012


07.08.2012 bis 11.08.2012

1.589 sm - 2.063 sm

Dartmouth, England - Woudsend, Holland


Heimwärts

Nach zwei schönen und sonnigen Tagen in Dartmouth heisst es für Dörte und Nele erstmal den Weg Richtung Deutschland anzutreten. Für Nele ist es das Ende des Törns, für Dörte nur ein Intermezzo, sie kommt zwei Tage später wieder zurück nach Südengland. Für mich bedeutet das zwei Tage Einhandsegeln, eine Premiere. Und zwar eine, die mir Tags vorher schon ein paar Gedanken macht: Segel setzen und bergen, Boot zum Anlegen vorbereiten und schließlich An- und Ablegen selber; alles Dinge, denen ich respektvoll und etwas unruhig entgegensehe.

Der Wind ist zum Glück freundlich und dreht von Ost 6 auf Süd 4-5 und damit kann die Reise weitergehen. So langsam peilen wir ja auch wieder den Heimathafen in Holland an und damit beginnen naturgemäß auch wieder die Überlegungen, wie die verbleibende Strecke in den verbleibenden Tagen am besten geschafft werden kann. Die Reise über die Lyme Bay ist vollkommen entspannt, wenig Seegang, schönes Wetter, raumer Wind und gute Geschwindigkeit. Ziel ist es, den Bill of Portland, die Spitze einer langgezogenen Halbinsel, genau zum richtigen Zeitpunkt der Tide zu erreichen. An dieser Stelle treffen mehrere Strömungen aufeinander und erzeugen das Portland Race, das sich in Strudeln, Brechern, unruhiger See und unberechenbaren Strömungen äußert, und dass man deshalb besser vermeidet. Immerhin ist das Wetter weiter gut, und ich wähle den kurzen Weg zwischen Portland Bill und dem Flach „The Shambles“, an dem sich ebenfalls die See bricht. Leider ist dann der Wind nicht mehr stark genug und ich muss genau an dieser unruhigen Ecke die Segel bergen, was aber gut funktioniert.

Nach kurzer Fahrt unter Motor ist Weymouth erreicht, gerade rechtzeitig für die Öffnung der Stadtbrücke, sonst wären 2h Warten fällig gewesen. Es ist der letzte Tag der Olympiade, entsprechend voll ist es, alles was man braucht, um dem Einhand-Novizen Stress zu verursachen. Geht aber alles gut und nach dem geglückten Anleger steht ein Abend in Weymouth an, dass zwar Olympiade bedingt sehr belebt und quirlig ist, mich aber ansonsten nicht übermäßig begeistert.

Am nächsten Tag ist der Wind immer noch gut, das Wetter aber diesig und regnerisch. Nach schneller Fahrt, nur durch starken Strom begrenzt, nähere ich mich der Westspitze der Isle of Wight. Und damit einem weiteren berühmten Tidal Gate, dem Needles Channel. Die Needles sind Kalkfelsen ,die – Überraschung – ein bisschen aussehen wie Nadeln und weit hinein ins Wasser ragen. Dummerweise liegt davor ein ausgedehntes Flach, die Shingles, so dass für den Zugang in den Solent (die Wasserstrasse zwischen Isle of Wight und Festland) nur ein enger Kanal übrigbleibt, durch den die Tide mit hoher Geschwindigkeit läuft. Bei Annäherung wird die Bootsdichte deutlich höher, ich habe scheinbar den richtigen Zeitpunkt getroffen, alle wollen das Fenster nutzen, um den Kanal zu passieren. Und trotz guter Bedingungen ist dann die Passage mal wieder beeindruckend und Respekt einflößend: links brechen ganz nah auf breiter Front die Wellen an den Shingles, rechts liegen die Felsen und vorgelagerten Riffe im Wasser und verlangen gebührenden Abstand und die See ist gleich wieder deutlich unruhiger als noch wenige Minuten zuvor. Dafür trägt mich der Strom jetzt mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Lymington, einer Marina auf dem Festland gegenüber der Isle of Wight.

 

Am Dienstag kommt zum Glück Dörte wieder an Bord, so spannend Einhand-segeln war, so schön ist es dann wieder zu zweit. Leider ist wieder starker Ostwind, aber Lymington ist ein netter Ort und die Marina sehr gepflegt. Im Solent bestimmt die Tide das Segeln, gegen teilweise 3kn Strom anzukämpfen, macht keinen Spass und keinen Sinn. Wir brechen daher erst am Mittwoch nachmittag auf und lassen uns vom Strom an der Isle of Wight vorbeitragen. In Cowes läuft gerade das Mega-Segelereignis „Cowes Week“, wir finden Unmengen von Yachten in überfüllten Häfen aber nicht so attraktiv und schauen uns das nur im Vorbeisegeln an. Die Ansteuerung von Portsmouth ist dann noch mal ganz spannend, wir teilen uns die Zufahrt mit gefühlt hundert Fähren, die sehr schnell und sehr vielen Richtungen kommen und gerne auch mal kurzfristig ihren Kurs stark ändern. Die Haslar Marina ist groß und bequem, aber etwas blutleer. Und gar nicht zu empfehlen ist das Restaurant auf dem ausgedienten Feuerschiff, das in der Marina liegt. Nach viel gutem Seafood werden wir daran erinnert, dass es in England auch noch richtig schlechtes Essen gibt.

Mit viel Wind verlassen wir Portsmouth und nachdem wir den hektischen Ansteuerungsbereich verlassen und Selsea Bill passiert haben, geht es in schneller Fahrt in Richtung Brighton. Oder Eastbourne. Wir können uns nicht so recht entscheiden, am Ende schlägt „Strecke machen“ die Option „frühe Ankunft und nettes Dinner“, und wir landen in Eastbourne, wo wir mit den verbliebenen Vorräten nochmal die Bordküche anwerfen.

Am Freitag erreichen wir nach schneller Fahrt und bei schönem Wetter Dover und wieder startet die Diskussion vom Vortag: Strecke oder Dinner? Und wieder entscheiden wir uns für Strecke: der Strom zwischen Dover und Calais passt genau, für den Abend und den nächsten Tag ist 4-5 aus Süd angesagt und für die Tage danach kaum noch Wind. Wir beschliessen relativ spontan weiterzufahren und durch die Nacht zu segeln, den langen Schlag in Richtung Scheveningen. Zwar korrigiert sich der Wetterbericht kurz danach nochmal auf 5-6, es wird aber eine sehr schöne und schnelle Segelnacht. Der Wind passt, das Wetter bleibt gut, und nachdem wir das Verkehrstrennungsgebiet „North Hinder“ passiert haben, geht es mit 7-8 Knoten und unter einem tollen Sternenhimmel Richtung Hoek von Holland. Im Vergleich zur Einsamkeit der Irischen See ist es allerdings auf der Nordsee wieder richtig voll, überall Schiffe, befeuerte Tonnen und Offshore-Windparks. Den Maas-Entrance in Hoek von Holland zu passieren ist wie immer spannend, aber das haben wir jetzt schon ein paar Mal gemacht, und Scheveningen ist wie immer voll und hat nur wenige Besucher-Plätze. Wir sind wieder im bekannten Revier und sofort kommt etwas Wehmut auf, unsere Reise neigt sich dem Ende entgegen. Immerhin kommen wir in Scheveningen endlich zu dem mehrfach geplanten und aufgeschobenen Dinner. Was auch gut ist, denn die Bordvorräte gehen endgültig zur Neige, seit Lymington ergab sich keine gute Gelegenheit mehr zum Einkaufen, und so wird zum Schluss der Reise auch das Dosenbrot noch angebrochen und der lösliche Kaffee kommt zum Einsatz.

Die letzten zwei Tage verlaufen weitgehen unter Motor (der Wind ist tatsächlich weg … gut, dass wir den langen Schlag noch gemacht haben), die Schleusen in Amsterdam und Stavoren sind voll, und in Hoorn gibt es wegen Kirmes auch nichts zum Einkaufen. Lyonesse macht gegen 15:00 in Woudsend fest, die Breehorn Werft wird in den nächsten Wochen einige der Kinderkrankheiten beseitigen, die während des Törns noch zu Tage gekommen sind. Am Montag nachmittag haben wir auf dem Ijsselmeer unseren Kurs gekreuzt, wir haben tatsächlich England umrundet! Wir sind stolz es geschafft zu haben, traurig, dass es vorbei ist und die ersten Gedanken gehen zu möglichen Törns im nächsten Jahr. Nach über 8 Wochen an Bord zieht es uns nicht wirklich zurück an Land…

 

Georg