Sommertörn - leicht surreal

272 nm to 479 nm * Dieppe - Honfleur - Deauville - St.Vaast-La-Hougue - Cherbourg - Jersey

Segeln in Coronazeiten - wie fühlt sich das an? Einerseits ganz wie immer, Wind und Wetter sind vom Virus ziemlich unbeeindruckt. Und beim Anlegen überlegt man auch nicht, ob man gleich an Land eine Maske tragen sollte ... Natur und Gegend sind sowieso schön und das Essen schmeckt auch! 

Andererseits fühlt es sich gerade deshalb oft ein bisschen surreal an. Man checkt die Nachrichten öfter als in anderen Jahren während eines Törns, es könnte ja sein, dass sich zwischenzeitlich Regeln geändert haben (so gilt zum Beispiel in Frankreich ab 11. Juli eine Maskenpflicht überall an öffentlichen Plätzen, in Geschäften etc.). Manche Ziele sind noch ganz gesperrt (z.B. Guernsey, Alderney und Sark). Außerdem gibt es natürlich auch im Umfeld einige Unsicherheiten, die größte sicherlich, wie es mit Neles College in den USA weitergehen wird.

So weit, so gut - wir müssen eben lernen, im Hier und Jetzt zu leben. Was wir aber schon planen können, ist der nächste oder übernächste Segeltag, und das wird zunehmend spannender, da neben Windrichtung und -stärke die Gezeiten ein immer stärkerer Faktor in der Vorbereitung der nächsten Schlages werden. Bei einem Tidenhub von bis zu 10 Metern und Gezeitenströmen von bis zu 5 Knoten ist Timing "of the essence". Das beginnt in Honfleur, wo wir möglichst den Flutstrom nutzen wollen, der uns in die Seine-Mündung schiebt, andererseits auch möglichst nicht die Brückenöffnung ins Hafenbecken verpassen wollen. Es klappt: wir erreichen die Schleuse, als die Tore gerade zum "Freeflow" rund um Hochwasser geöffnet werden (so kann man ein Schleusenmanöver vermeiden - siehe letzter Blog ...) und fahren dann mit der letzten Brückenöffnung ins Vieux Bassin. 

In Deauville und St.Vaast fallen die Hafeneinfahrten trocken und werden zu einem kleinen Rinnsal. Damit ist es nur möglich, rund um Hochwasser rein und raus zu fahren. In Deauville sind wir fast zu spät, eine halbe Stunde nachdem wir festliegen, macht die Schleuse zu - in St.Vaast dagegen zwei Stunden zu früh, aber wir liegen gemeinsam mit vielen anderen Yachten in der Bucht vor Ankern uns essen schon mal zu Abend, bevor der Ansturm auf die Einfahrt beginnt. 

Auf der Strecke zwischen Cherbourg und Jersey müssen wir schließlich das berüchtigte Alderney Race passieren - eine Meerenge zwischen dem Cap de la Hague und Alderney, in der sich eine der stärksten Gezeitenströmungen Europas befindet. Hier kann bei Springflut der Strom bis zu 10 Knoten erreichen, und es bilden sich gefährliche Strudel und Verwirbelungen. (Zur Einordnung: die Höchstgeschwindigkeit von Lyonesse beträgt ca. 8,5 Knoten) Bei "Slack" - dem "Stillstand" des Wassers zwischen Ebbe und Flut - ist die Durchfahrt sicher möglich, beruhigend, dass das mindestens 10 andere Yachten genauso sehen wie wir.

Auch touristisch haben die letzten Tage einiges zu bieten: Honfleur ist ein charmantes Hafenstädtchen, dass nach einer Blütezeit als Handelsort nach dem 17. Jahrhundert in Vergessenheit geriet und erst später als Künstlerparadies wiederentdeckt wurde. Zum Glück - so sind viele der alten Handels- und Fischerhäuser noch erhalten ... Im Vieux Bassin liegen wir mitten an der Hafenpromenade und können quasi ins Restaurant "spucken". Für einen Tag mieten wir uns ein Auto und erkunden die Strände der Landung der Alliierten. Der D-Day ist hier in der Normandie sehr präsent, als Deutscher fühlt man eher Betroffenheit und Nachdenklichkeit.

Deauville - die Badewanne der Pariser - ist ganz nett, kann man beim nächsten Trip aber auch überspringen. Nele verlässt uns hier nach drei Wochen und kehrt nach Deutschland zurück.

St.Vaast-la-Hougue dagegen ist eine positive Überraschung. Toller Hafen, sehr entspannter Ort mit richtig netten Läden, bodenständige Fisch-Restaurants, hier hätten wir auch noch länger bleiben können.

Aber weiter gehts zunächst nach Cherbourg, dann nach Jersey. Womit wir wieder beim Anfang wären: Jersey ist zwar offen für Besucher-Yachten, man muss aber vorher einen Liegeplatz buchen, sich beim Government anmelden und einen Covid-Test machen (Spoiler-Alarm: Ergebnis war bei Georg und mir negativ). Alles ist aber gut organisiert und läuft ziemlich reibungslos. Die nächsten Tage verbringen wir also auf Jersey ...

 

- Dörte

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Kommentare: 1
  • #1

    Elke (Sonntag, 26 Juli 2020 13:39)

    Sehr interessant!!!!!!